Obwohl Bunker schützende Bauwerke darstellen, die Menschen vor direkter Gefahr verschonen sollen, verströmen diese Räume eine Aura der Verstörung. Enge, Kälte, dickes Mauerwerk, Beton, Stahl und die Vorstellung von Lebensgefahr sind das Ingrediens, das unangenehme und irritierende Empfindungen auslöst.
Mein Aufwachsen war geprägt von Erzählungen über Bunker, Schutzräume, bzw. Luftschutzkeller. In erster Linie durch meinen Vater, der durch seine jüdische Mutter von den Nazis als „Mischling 1. Grades“ eingestuft worden war. Er wurde gezwungen, nach alliierten Luftangriffen Leichen zu bergen. Zu diesem Zeitpunkt war er 15 Jahre alt. „Zwei Einsätze in Ottakring haben sich besonders in mein Gedächtnis eingegraben: In einem Luftschutzkeller saßen Menschen mit Blutaustritt aus Mund und Nase wie lebend, denen jedoch der Luftdruck die Lungen zerrissen hatte. Anderswo wurde ein Weinkeller getroffen und im Rotwein waren schwimmende Leichenteile zu bergen.“ (Spera, Kurt: Ein Leben in zwei Jahrhunderten, Wien 2010). Seine Schilderungen sind immer in meinem Bewusstsein geblieben.
Als ich später mit dem Aktionskünstler Hermann Nitsch an seiner Biographie arbeitete, sprachen wir immer wieder auch über das Thema der Radikalität seiner Kunst und gingen der Frage nach, weshalb er sich geradezu dazu gedrängt fühle, eine derart spannungsgeladene Arbeit zu machen. Er berichtete von der Todesangst, die er bereits als Fünfjähriger während des Zweiten Weltkriegs verspürt hätte. Der dröhnende Alarm, die hektisch flüchtenden Menschen, die Stille im Bunker und dann flüsternde Gebete. Floridsdorf, wo Nitsch und seine Mutter lebten, war als Sitz von Industrieanlagen ein besonderes Ziel der Alliierten. Daher erlebte der kleine Hermann bis 1945 nahezu täglich, was es bedeutete, in Lebensgefahr zu sein. Er erinnert sich: „Ich habe in diesem Alter schon wirkliche Todesangst gehabt und gewusst, was es heißt, zu sterben, die Wohnung zu verlieren und kein zu Hause mehr zu haben. Ich glaube schon, dass diese dramatische Situation etwas bei mir hinterlassen hat. Vielleicht kommt deshalb auch immer wieder die Wiederholung solcher Angstsituationen. Die ja vorhanden sind. Die Welt ist noch nicht ohne Krieg. Wenn ich später in einem Hörspiel – Fliegeralarm oder so gehört habe – das ist mir immer durch Mark und Bein gegangen. Das Uhhuhhuhh – das war furchtbar, in meinem Empfinden immer mit laufenden Menschen verbunden. Na klar, die sind alle in den Luftschutzkeller gelaufen. Und dort ist gebetet worden, da hat man flüstern gehört: Heilige Maria Mutter Gottes‘. Und ich wusste, ganz arg ist es, wenn die Leute zu beten beginnen [
] . Als wir aus den Kellern herausgekommen sind, war alles verbrannt. Die Fabriken, alles war schwarz. Schwarze Wolken. Alles hat gebrannt. Die Häuser waren zum Teil vollkommen zerstört oder so zur Hälfte abrasiert, da hat man ein Klavier gesehen, das zur Hälfte heruntergehangen ist oder die Gewürzständer in der Küche eines bombardierten Hauses. Es war wie der Einbruch des Surrealismus in die bürgerliche Welt. Die ganze bürgerliche Welt ist verhöhnt und ad absurdum geführt worden.“ (Spera, Danielle: Hermann Nitsch. Leben und Arbeit.)