Im Vergleich zum perfekt organisierten und gut funktionierenden öffentlichen Leben in Wien, gestaltet sich das Leben in New York durchaus herausfordernd. Das erst recht an Tagen, an denen Großereignisse über die Metropole hereinbrechen. So geschehen anlässlich des Besuchs von Papst Franziskus Ende September, genau an jenen Tagen, an denen wir die erste große Ausstellung des Jüdischen Museums in New York vorbereiten sollten.


Unser Ausstellungsort, das von Raimund Abraham 2002 fertiggestellte Austrian Cultural Forum auf der 52nd Street Ecke 5th Avenue war nahezu unerreichbar. Der Bereich um die St. Patrick´s Kathedrale wurde über Tage hinweg hermetisch abgeriegelt. Die umliegenden Straßen waren nicht nur für den Autoverkehr, sondern auch für Fußgänger unpassierbar. Anrainer fanden nur nach Vorlage eines Ausweises mit ihrer Wohnadresse und einem Screening Durchlass. Tausende Schaulustige drängten sich an die Absperrungen, um einen Blick auf den Papst zu erhaschen und brachen in Euphorie aus, wenn er im Trubel kurz zu sehen war. New York befand sich im Ausnahmezustand. Das Kulturforum wurde – wenn man es durch die unzähligen Straßensperren endlich erreicht hatte – auf diesem Weg fast zu einer Oase der Ruhe.


Gemeinsam mit der wunderbaren Mitarbeiterin des acfny Natascha Boojar schafften wir den Spagat, die durch die vielen Stiegen durchschnittenen Räume des Kulturforums mit den Bildern von Erich Lessing und den Arbeiten von Andrew Mezvinsky zu hängen und perfekt durchzukomponieren.
 
Belohnt wurden wir durch die Anwesenheit von viel Prominenz bei der Eröffnung. Direktorin Christine Moser konnte sich über die überdurchschnittliche Teilnehmerzahl freuen, Hannah Lessing, Andrew Mezvinsky und ich über die durchwegs begeisterte Response zu unserer Ausstellung. Nach den Reden von Bundesminister Sebastian Kurz und Bundespräsident Heinz Fischer, die uns die Ehre gaben, ergriff Nobelpreisträger Eric Kandel ungeplanter Weise das Wort. Der 1938 aus seiner Heimatstadt Wien vertriebene Wissenschaftler hob hervor, wie sehr sich Österreich in den vergangenen Jahren für die Juden zum Positiven gewendet hat. Der einzige Wermutstropfen an diesem Abend war die Abwesenheit von Erich Lessing. Der 92-jährige fotografische Chronist der österreichischenund europäischen Nachkriegsgeschichte konnte die lange Reise von Wien nach New York nicht absolvieren. Seine Tochter Hannah überbrachte die Grußworte Erich Lessings. Austrian history meets family history.
 

Während der Eröffnung mussten die Räumlichkeiten mehrmals wegen Überfüllung geschlossen werden. Ein besonderer Gast stand ganz plötzlich und ohne große Ankündigung vor mir: Chelsea Clinton. In unserem Rundgang durch die Räume der Lessing-Ausstellung lernte ich sie als eine belesene, kunstinteressierte, bescheidene junge Frau kennen, die sich über die europäische Nachkriegsgeschichte äußerst informiert zeigte. Andrew Mezvinsky, ihr Schwager, brachte ihr seine Installation „A Good Day“ näher, für die er in den Schriften Primo Levis Inspiration gefunden hatte.


Der Abend fand seine Vollendung in der ersten offiziellen Veranstaltung des US-Circle of Friends of the Jewish Museum Vienna. Acfny Direktorin Christine Moser hatte uns großzügig dafür ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Der Präsident unseres amerikanischen Freundesvereins, Marty Mendelsohn, unser Treasurer Peter Frey, sowie die Delegation aus unserem Museum mit Werner Hanak-Lettner und Markus Roboch stellten den Gästen in kleinen, persönlichen Gesprächsrunden unser Haus vor. In der Hoffnung, dass wir bei all unseren Gästen einen nachhaltigen Eindruck hinterließen, wurden wir spät in der Nacht mit einem Blick von der Terrasse des acfny auf die hell erleuchtete St. Patricks Kathedrale und die dahinter befindlichen Wolkenkratzer belohnt und New York verwandelte sich wieder in die bekannte „city that never sleeps“.