Das hebräische Alphabet hat 22 Zeichen. Gibt man „hebräisch“ als Suchbegriff in das Museumsinventar ein, werden 606 Objekte gelistet. Wussten Sie, dass Jiddisch und Ladino mit hebräischen Buchstaben geschrieben werden? Dass die hebräischen Buchstaben einen Zahlenwert haben? Dass es Buchstaben mit Abendkleid gibt? Der Reihe nach, von Aleph bis Taw.
 
Die Herkunft des Setzkastens mit hebräischen Buchstaben ist nicht vollkommen geklärt. Es handelt sich um eine Dauerleihgabe der Druckerei Holzhausen an das alte jüdische Museum. Die Firma Holzhausen war einst die Druckerei der Wiener Universität gewesen, vielleicht wurden die aus Blei gegossenen Buchstaben für diesen Zweck hergestellt? Vielleicht stammen sie aber auch aus einer hebräischen Druckerei und wurden für die Universität übernommen? Einer der wichtigsten hebräischen Drucker in Wien war der 1765 in Krems geborene Anton Schmid. Er war einer der Lehrlinge des auf orientalistische Werke spezialisierten Druckermeisters Josef Edler von Kurzböck gewesen. Schmid kaufte später Kurzböcks Witwe das hebräische Schriftmaterial, das eigens gegossen oder aus Amsterdam eingeführt worden war, ab und übernahm 1805 Kurzböcks Betrieb. Joseph II. hatte die Gründung hebräischer Druckereien in Wien wie auch den Import hebräischer Druckwerke verboten, so dass sich für den christlichen Drucker eine lukrative Marktlücke aufgetan hat.
 
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Aus der Sammlung Eli Stern gelangte dieses Unterrichtsmaterial für Kinder in den Bestand des Jüdischen Museums Wien. Auf der Kartonbox steht in hebräischen Buchstaben, dass die Buchstaben weise machen würden. In diesem Setzkasten, die Buchstaben sind auf mittelmäßig dickem Karton gedruckt, kann man die Buchstaben in Druckschrift gut erkennen und in der letzten Zeile auch einige jener mit Abendkleid ausmachen. Diese Abendkleid-Buchstaben haben am Ende eines Wortes ein anderes Erscheinungsbild – wie man am Ende des Tages ein anderes Kleid trägt. Dies war die einfache Erklärung meiner Hebräischlehrerin, die niemand hinterfragen musste, ein Abendkleid ist ein Abendkleid. Die Kärtchen mit den Punkten und Strichen ganz rechts weisen die Zeichen für die Vokale aus, vokalisiert wird jeweils unterhalb des jeweiligen Buchstabens.
 
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L. M. Singer aus Eisenstadt hat 1839 eine Empfangsbestätigung in hebräischer Schreibschrift ausgestellt. Seine Handschrift scheint zügig und souverän, die Buchstaben mit Abendkleid sind besonders markant ausgeführt. Der Inventareintrag aus dem alten jüdischen Museum fehlt leider.
 
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Dass Beisl von hebr. „beit“ kommt, Haberer von „chawer“, Massl von „mazal“ und Zores von „zarot“ wussten Sie vermutlich oder haben es im Rahmen unserer „Jiddisch im Wienerischen“-Postings auf den Social Media Kanälen des Museums erfahren? Jiddisch entstand im Mittelalter im Kulturraum Aschkenas in Mittel- und Osteuropa, als sich für den Alltag eine eigene, nicht heilige Sprache entwickelt hat. Das Hebräische war dem Kultus und der Religion vorbehalten, die gewöhnlichen alltäglichen Angelegenheiten wurden in Jiddisch geregelt, eine Mischung aus Hebräisch und Mittelhochdeutsch. Wer die hebräischen Buchstaben kennt, erkennt in dieser Abbildung sofort das Wort „Pass“. Es handelt sich um einen insgesamt achtseitigen litauisch-deutschen Pass auf blauem Papier, der am 30. Jänner 1917 in Wilkomierz ausgestellt wurde.
 
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Die sefardischen Juden, die 1492 aus Spanien vertrieben wurden und sich mit den osmanischen Wanderbewegungen in ganz Europa ansiedelten, verwendeten das auch als Ladino bezeichnete Judenspanisch, das ursprünglich auch mit hebräischen Buchstaben geschrieben wurde. Die Wiener sefardische Gemeinde durfte bereits im 18. Jahrhundert offiziell als Gemeinde agieren, Synagogen errichten und Gottesdienste feiern. Um die Jahrhundertwende und bis in die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts gab es in Wien Kulturvereine und sogar eine eigene sefardische Presselandschaft. Die großen Verlagsorte waren freilich Thessaloniki und Konstantinopel. Die Abbildung zeigt eine Seite der Zeitung „La Tribuna Djudea“ aus dem Jahr 1947.
 
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Das vorliegende kabbalistische Amulett aus der Sammlung des alten jüdischen Museums zeigt die sogenannten Sephirot, die zehn Emanationen des kabbalistischen Lebensbaums. Unter Emanation versteht die Mystik und Philosophie den Prozess des Hervorgehens und Hervorbringens. Die jüdische Mystik (Kabbala) erklärt vieles aus den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets, die ihrerseits Zahlenwerte haben. Die israelische Künstlerin Victoria Hanna „buchstabiert“ in einem Song das Aleph Bet von Anfang bis Ende durch, sie ist Lehrerin und zugleich Schülerin einer religiösen Mädchenschule und veranschaulicht mit ihren Schülerinnen diesen Schöpfungsprozess aus Luft und Atem. Die Künstlerin stammt aus einer religiösen Familie, ihr Vater war Rabbiner, der, wenn sie krank war, verschiedene Buchstaben mit Kreide aufschrieb, mit Wasser löschte und ihr das Wasser zu trinken gab. Wenn es nichts genützt hat, so hat es zumindest wohl nicht geschadet.
 
Foto © Gottfried & Söhne
 
Der Zahlenwert des Buchstabens chet beträgt acht, jener des Buchstabens jud zehn. Beim Anstoßen sagt man „Lechaim“ und trinkt dabei auf das Leben. Bei Spenden oder Geschenken ist die Zahl 18 oft ein Multiplikator, das schadet sicher nicht.
 
Titelbild © JMW