Sarajevo wäre nicht mein Urlaubsziel gewesen, aber um einer Einladung der dortigen Österreich-Bibliothek zu einem Vortrag nachzukommen, kann man sich schon einmal zwei Tage frei nehmen. Direkt vom Flughafen ging es letzten Donnerstag zum Vortragsraum: Der war winzig, aber zum Bersten gefüllt und befand sich in einer ehemaligen Kaserne, wo eine neue Nationalbibliothek aufgebaut wird, nachdem 1992 zwei Millionen Bücher in Folge von Napalm-Beschuss verbrannt sind. Eingeleitet wurde die Veranstaltung vom Germanisten Vahidin Preljevi?, die vortreffliche Simultanübersetzung besorgte sein Assistent Naser Secerovic, beide waren als Flüchtlingskinder nach Deutschland gekommen und nach dem Studium zurückgekehrt. Mein Thema war das meiner letzten Ausstellung „Weltuntergang. Jüdisches Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg“, die PPP mit historischen Fotos und Ansichten aus den Räumen des JMW fand großen Anklang. Danach wurden mir die Wunder bosnischer Gastfreundschaft dargetan, die vor allem aus Cevapcici und Sliwowitz bestehen, garniert mit sangesfreudigen Barden hinreißender slawischer Volkslieder.
Sarajevo – das Jerusalem Europas
Und wer weckte mich am nächsten Tag um fünf Uhr früh? Der Muezzin! Das hatte ich sonst immer nur in Jerusalem erlebt, dort allerdings wesentlich lauter. Beim ersten Rundgang wurde mir das dann klar: Im Gegensatz zu anderen europäischen Städten wird das Stadtbild nicht von Kirchen, sondern von Moscheen dominiert. Natürlich sieht man auch viele Frauen mit Kopftuch – und sehr viel ohne, und alles ist ganz easy. Am nächsten Tag nahm ich an einer Stadtführung teil, der junge Guide meinte, es gäbe hier nur eine Regel: Kein Schweinefleisch. Alles andere könne man mit sich selbst ausmachen. Saudi-Arabien versuche natürlich Einfluss auszuüben und baute nicht nur ein Einkaufszentrum, das im Volksmund „Mordor“ genannt wird, sondern auch eine Moschee mit zwei Minaretten statt des landesüblichen einen. Auch selbsternannte Tugendwächter des Wahabismus hatten in den Straßen versucht, Jugendliche offensiv zu „bekehren“. Na, die wurden im Gegenzug über die lokalen Bräuche aufgeklärt. Seither leben sie geschlossen in zwei Dörfern abseits der Hauptstadt. Im Bazar erwarb ich ein besonderes Souvenir, ein Stück Geschichte sozusagen: Eine leer geschossene Hülse einer Panzergranate, wundervoll verziert von Hammer und Stichel eines Kunstschmieds. (Am Flughafen wurde ich deswegen vom Gate noch in einen Security-Raum gebeten, aber auch da hilft Reiseerfahrung nach Israel.)