20. Dezember 2022
Feste Feiern

Öl für acht Tage

von Sabine Apostolo
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Chanukka bedeutet wörtlich „Einweihung“. In den allermeisten Fällen bezieht sich eine solche auf etwas Erstmaliges. Doch beim Chanukka-Fest feiert man die zweite Einweihung des Zweiten Tempels in Jerusalem. Dieser wurde nach der Rückkehr der Jüdinnen und Juden aus dem Babylonischen Exil im sechsten Jahrhundert v. d. Zeitrechnung gebaut. 300 Jahre später tobte ein heftiger Kulturkampf zwischen dem Judentum und der mittlerweile hellenistischen Umgebung, was schließlich zu einem bewaffneten Kampf führte. Die Juden unterlagen dem Heer der Seleukiden, die ihnen Religionsausübung untersagten und ihren Tempel für Zeus umwidmeten. Doch eines Tages bildete sich um Mattathias und nach dessen Tod um seinen Sohn Judas, der den Beinamen Makkabi trug eine rebellische Gemeinschaft. Im Jahr 164 v. d. Zeitrechnung eroberten sie den Tempel zurück, was als Sieg der Makkabäer in die Geschichte einging. 
Sie wollten ihren Tempel so schnell wie möglich wieder einweihen, wozu sie Öl für den Tempelleuchter benötigten. Doch fanden sie lediglich eine Flasche mit Olivenöl, das noch mit dem intakten Siegel der Hohepriester versehen war. Obwohl sie wussten, dass dies maximal für einen Tag gereicht hätte und sie mindestens acht Tage benötigt hätten, um neues zu beschaffen, wollten sie mit der zweiten Einweihung ihres Tempels nicht warten. Sie entzündeten also die Menora, die stets ohne Unterbrechung brennen sollte, im Wissen, dass das Licht nach einem Tag wieder erlöschen würde. Und da geschah das Wunder, das Öl brannte und brannte und ging nicht aus, bis nach acht Tagen der Nachschub bereit war.

Heute erinnert der Chanukka-Leuchter mit seinen acht Brennstellen oder Kerzenhalterungen an dieses achttägige Wunder. In den Sammlungen des Jüdischen Museums Wien gibt es zahlreiche solcher Leuchter. Eine dieser Sammlungen ist die von Max Berger, der ab den 1960er-Jahren begann, Judaica zu sammeln. In seiner Sammlung befindet sich diese antik anmutende Öllampe. Sie erfüllt eigentlich keinen religiösen Zweck und hat auch keine offensichtliche Verbindung zum Judentum. Vermutlich erinnerte Max Berger diese Lampe an das Ölwunder von Chanukka. Er dachte vielleicht, es könne nicht schaden, ein Stück aus der Antike, möglicherweise sogar aus der Zeit des Makkabäer-Aufstands, zu besitzen. Vielleicht kaufte er es gar in der Ölkrise der 1970er-Jahre und schmunzelte über die Vorstellung eines so notwendigen Ölwunders.

Max Berger war bei Weitem nicht der einzige mit einem Interesse für die Antike. Schon um 1900 gab es einen Markt für solch scheinbar antike Öllampen. Die Dresdner Firma Kretzschmar, Bösenberg & Co stellte diese als Massenware her und bewarb sie mittels Postkarten. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt auch die Öllampe aus der Sammlung Berger von dieser Firma. Auf der Postkarte wird die Faszination der Antike offensichtlich, die keineswegs auf Jüdinnen und Juden beschränkt war. Doch die Assoziation zum Ölwunder hatten vermutlich nur sie. Die Sehnsucht nach einem solchen Ölwunder ist aber nicht einzigartig und bedauerlicherweise alles andere als Geschichte.