26. Mai 2021
Aktuelles

Robert Brande (1944 - 2021)

von Danielle Spera
© JMW
Mit tiefer Trauer haben wir die Nachricht vom Ableben unseres besonders lieben Freundes Dr. Robert Brande erfahren. Er und seine Familie spielen eine ganz besondere Rolle in unserer Ausstellung „Die Wiener in China. Fluchtpunkt Shanghai“. Dr. Robert Brande war für uns ein wichtiger Zeitzeuge und vor allem auch Leihgeber für diese Ausstellung, ist doch seine Geschichte und jene seiner Eltern ursächlich mit der Rettung von Wiener Jüdinnen und Juden verbunden.

Der Vater von Robert, Dr. Ernst Brande, betrieb in Wien eine Anwaltskanzlei mit Wohnung im ersten Wiener Gemeindebezirk. Kurz vor dem „Anschluss“ reiste er zu einem beruflichen Termin nach Polen. Das war seine Rettung. Was seine Frau, Ernestine Brande in den Tagen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten erlebte, hat sie ein Leben lang misstrauisch gegenüber den Wienerinnen und Wienern werden lassen. Es gelang ihr, ihrem Mann nachzureisen. Sie traf ihn bei ihren Eltern in Lemberg, von wo aus alle gemeinsam über den Landweg mit der transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok und schließlich nach Shanghai flüchten konnten. Um etwas Geld zu verdienen absolvierten Ernst und Ernestine in Shanghai eine Reihe von Kursen, in denen sie Korsettherstellung, Buchbinderei, Autofahren sowie Hemd- und Krawattennähen lernten. 1943 erhielt Ernst Brande die Berechtigung, auch in Shanghai als Anwalt zu praktizieren.

1944 kam Robert Brande zur Welt. Er besuchte den Kindergarten in Shanghai gemeinsam mit anderen jüdischen Kindern. Aufgrund seines jungen Alters hatte er an Shanghai wenig Erinnerungen. Er berichtete aber von seinem Kater Muli, der ursprünglich gegen die herrschende Mäuseplage angeschafft und dann zu seinem Freund wurde.

1949 verließ die Familie Shanghai an Bord der „General Meigs“ und fuhr nach San Francisco. Ein Foto vom kleinen Robert auf dem Arm seines Vaters auf der „General Meigs“ fand meine Kollegin Daniela Pscheiden zufällig bei der Recherche zu unserer Ausstellung.  Robert Brande, zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, erinnert sich an die heftigen Stürme während der Überfahrt. Nach der Ankunft in den USA wurden die Passagiere in einem vom FBI bewachten Zug nach New York gebracht, von wo aus sie mit dem Schiff nach Israel reisten. Bis 1955 lebte Familie Brande dort.

Zurück in Wien stellten die Eltern fest, dass ihre frühere Haushälterin und deren Mann sich alles angeeignet hatten, selbst die Anzüge von Ernst Brande und die Wäsche mit dem Monogramm der Mutter. Die Rückkehr nach Wien war für den 11-jährigen Robert ein Kulturschock. In der Schule ließ er antisemitische Äußerungen nicht auf sich beruhen. Ein Mitschüler fragte ihn eines Tages, was denn der Unterschied zwischen einem großen und einem kleinen Juden sei. Der große brenne länger, war die Antwort. Robert erteilte dem Mitschüler die verdiente Abreibung. Ernst und Ernestine Brande entschlossen sich, ihren Sohn zur Ausbildung nach England zu schicken und eröffneten Robert dadurch nicht nur einen neuen Horizont, sondern auch Zugang zu einer umfassenden Bildung und einer zweiten Muttersprache. Anschließend kehrte Robert nach Wien zurück und wurde ein erfolgreicher Anwalt.

Für mich war Dr. Robert Brande ein langjähriger Wegbegleiter. Wir trafen uns beinahe täglich, wenn er zeitig in der Früh auf dem Weg zu seinem Frühstücksstammplatz im Café Korb war, um sich seine Informationen aus den internationalen Zeitungen zu holen. Im Sommer 2020 durfte ich Details über seine Familie und seine frühen Jahre in Shanghai erfahren und lernte eine neue Seite von Dr. Robert Brande kennen, einem mutigen Mann, der sich sein Leben mit viel Courage und gleichzeitig viel Tatkraft organisiert hatte. Die Gespräche mit ihm haben mich bereichert und wir verabschiedeten uns immer mit einem Lächeln. Das wird mir fehlen. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke und bedeutet einen großen Verlust, vor allem für seine Familie, der wir in dieser schweren Zeit viel Kraft und unser tiefes Mitgefühl schicken. Ich werde Dr. Robert Brande immer in lieber Erinnerung behalten.