25. Juli 2023
Unter der Lupe

„So etwas vergisst man nicht“ – Norbert Lopper in Auschwitz

von Barbara Staudinger
Selektion an der Rampe in Auschwitz-Birkenau, 1944. In Häftlingsanzügen Hans Schor (Mitte vorne), Norbert Lopper (Mitte hinten) und Heini Preiss (rechts)
© United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of Yad Vashem
Als „Mister Austria“ wurde Norbert Lopper durch eine so betitelte Publikation erst vor wenigen Jahren, kurz vor seinem Tod 2015, einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Dabei war der langjährige Klubsekretär der Austria Wien nicht nur eine Fußball-Legende, der seinem Verein zu internationalen Erfolgen verhalf und Fußballgrößen wie Herbert Prohaska entdeckte – er war auch Schoa-Überlebender und Zeitzeuge.

1919 wurde Norbert Lopper in einen kleinbürgerlichen jüdischen Haushalt in Wien-Brigittenau mit insgesamt fünf Kindern hineingeboren. Nachdem beide Eltern arbeiteten, waren die Kinder nachmittags sich selbst überlassen, die Buben spielten Fußball im Augarten. Norbert Lopper hatte Talent und trat bald dem Fußballverein Sparta Wien bei, dessen Vereinslokal in der Rauscherstraße nur unweit von der Wohnung des Loppers lag. Fußball war, wie er später erzählte, sein Leben. 1935 wurde er als Nachwuchsspieler vom SC Hakoah entdeckt, zu einer Zeit, als dieser nicht mehr zu den Top-Mannschaften Österreichs zählte. Lopper begann eine Lehre und spielte bis zum „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich Fußball.

1938 flüchtete die Familie nach Belgien, wo sich bereits Verwandte aufhielten. Norbert Loppert spielte dort gegen kleine Honorare bei den jüdischen Vereinen Étoile (Stern) und Maccabi Bruxelles und konnte dadurch zum Lebensunterhalt beitragen. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Belgien im Mai 1940 wurde das Leben gefährlich. Norbert Lopper floh nach Frankreich, wurde interniert und entschied sich, nachdem er aus dem Internierungslager St. Cyprien hatte fliehen können, nach Brüssel zurückzukehren. 1940 heiratete er dort seine Freundin Rebecca Cige, die er in Belgien kennengelernt und die ihn auf seiner Flucht begleitet hatte. Bis 1942 überlebte die kleine Familie im besetzten Belgien, bevor sie sich, wie es hieß, am Gare du Nord zum "Arbeitseinsatz" einfinden mussten und nach Auschwitz deportiert wurden. An der Rampe getrennt sah Norbert Lopper seine Frau nie mehr wieder.

: Selektion an der Rampe in Auschwitz-Birkenau, 1944. In Häftlingsanzügen Hans Schor (Mitte vorne), Norbert Lopper (Mitte hinten) und Heini Preiss (rechts)
© United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of Yad Vashem

Selektion an der Rampe in Auschwitz-Birkenau, 1944. In Häftlingsanzügen Hans Schor (Mitte vorne), Norbert Lopper (Mitte hinten) und Heini Preiss (rechts)

Einige Monate wurde Lopper im sogenannten Stammlager Auschwitz I untergebracht, bevor er nach Auschwitz-Birkenau wechseln musste. Dort konnte er mit Glück dem Arbeitskommando an der Rampe zugeteilt werden, dem Kanada-Kommando, das die Gepäckstücke der Deportierten zum Effektenlager brachte. Lopper wurde nun direkter Zeuge des Massenmordes. Als er am 2. August 1944 seine Mutter und seinen jüngsten Bruder bei der Selektion an der Rampe sah, konnte er den ebenfalls aus Wien stammenden Kapo Hans Schor, einen jüdischen Häftling und Spanien-Kämpfer, überreden, die beiden ins Lager aufzunehmen und rettete ihnen damit das Leben. Ab Herbst 1944 wurde das Vernichtungslager Auschwitz evakuiert, die Verbrechen versucht zu vertuschen, während das Morden weiterging. Norbert Lopper, der in seinen Jahren im KZ mehrfach fast zu Tode misshandelt worden war, überlebte im Jänner 1945 den Todesmarsch nach Mauthausen und wurde dort im Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit.

Seine Beeinträchtigungen aufgrund der Misshandlungen der SS während seiner KZ-Haft waren so groß, dass er kaum mehr Fußball spielen konnte. Norbert Lopper ging zuerst nach Brüssel und kehrte erst 1953 wieder in seine Heimatstadt Wien zurück. Von da an gehörte sein Leben der Austria Wien: Ab 1956 Tag und Nacht als Klubsekretär beschäftigt, fragten nicht viele nach seiner Geschichte. Erst nach seinem Ruhestand 1983 ging er zur Lagergemeinschaft Auschwitz und stellte sich in Folge auch als Zeitzeuge zur Verfügung. 2015 verstarb Norbert Lopper in Wien.

: Trikot anlässlich des 90.Geburtstags von Norbert Lopper, 2009, Textil, Sammlung Pierre Lopper
© JMW, Tobias de St. Julien

Trikot anlässlich des 90. Geburtstags von Norbert Lopper, das derzeit in unserer Ausstellung Superjuden. Jüdische Identität im Fußballstadion zu sehen ist. 2009, Textil, Sammlung Pierre Lopper