27. Februar 2024
Aktuelles

Ein großes Geschenk zum 30. Jubiläum in der Dorotheergasse 11

von Sabine Apostolo
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Der Verein der FREUNDE kauft für das Jüdische Museum mehrere Werke Rudolf Schönwalds
 
Das Haus in der Dorotheergasse 11 hat bereits eine lange Geschichte hinter sich, von der es so einiges zu erzählen gibt. Unter anderem aus der Zeit, als dort die Galerie Miethke (1895-1938) tätig war und als in diesen Räumen zum ersten Mal in Wien ein Gemälde von Pablo Picasso bestaunt werden konnte.  

Vor kurzem ist in diese Räume ein ganz anderes Gemälde eingezogen: Rudolf Schönwalds Die Ringer (1953). Das Gemälde haben die FREUNDE des JMW dem Museum zum 30-jährigen Jubiläum des Einzugs in die Dorotheergasse 11 geschenkt. Doch das Gemälde war bei weitem nicht alles: Die Freunde kauften noch 32 weitere Papierarbeiten von Schönwald für die Sammlung an. Die Grafiken zeichnen sich durch einen besonders starken erzählerischen sowie humorvollen Duktus aus: Die Wiener Bilderbögen und die Biografischen Bilderbögen beschreiben Schönwalds Leben sowie das Wien der Zwischen- und Nachkriegszeit.

Doch wer war dieser Rudolf Schönwald? Noch nie gehört? Dies hat seinen Grund: Rudolf Schönwald war, wie er es in einer seiner Bildergeschichten selbst ausdrückte, „keine flexible Persönlichkeit“. Er wollte sich niemandem andienen und blieb seinen Überzeugungen stets treu, was man auch in seinem Oeuvre sehen kann, das zu Unrecht vielen unbekannt ist. Der Verein der FREUNDE des JMW hat sich gemeinsam mit dem Museum dazu entschlossen, Rudolf Schönwald dieser Unbekanntheit zu entreißen.

Schönwald wurde 1928 in Hamburg geboren, seine Eltern kehrten in den 1930er-Jahren mit Rudolf und seinem jüngeren Bruder Peter in ihr Heimatland Österreich zurück. Die beiden Kinder besuchten in Salzburg die Grundschule. Aufgrund zweier jüdischer Großeltern (einer seiner Großväter war der Sozialökonom Otto Pringsheim) mussten sie vor den Nationalsozialist:innen fliehen. Die Brüder überlebten mit Glück und Not mehrere ungarische Lager und schließlich als U-Boote in Budapest. Der Vater hatte sich bereits nach dem Einmarsch Hitlers in Polen das Leben genommen, die Mutter wurde deportiert und überlebte Auschwitz.

Nach dem Krieg lebten die beiden Brüder mit ihrer Mutter in Wien. Ab 1948 studierte Rudolf Schönwald an der Wiener Akademie der Bildenden Künste bei Josef Dobrowsky und Christian Ludwig Martin. Er zählt somit zu einer Generation, die versuchte, neue Wege im grauen, noch kriegsgebeutelten Österreich zu gehen, in dem nun wieder viele Charaktere des „Ständestaates“ – darunter etliche mit inzwischen nationalsozialistischem Hintergrund – in Machtpositionen gekommen waren.

Diese Zeit in Wien war für Rudolf Schönwald der Beginn eines selbstbestimmten Lebens, doch hatte er vielfach mit den Nachwirkungen von Verfolgung und den Mängeln jener Zeit zu kämpfen. Dies hat er auch in Die Ringer versinnbildlicht: Ringen war eine der wenigen Freizeitbeschäftigungen, die in den frühen 1950er-Jahren möglich waren. Der dargestellte Ringer ist Peter Schönwald, im Schuhe bindenden Mann dahinter hat sich Rudolf Schönwald selbst portraitiert. Gemälde gibt es allerdings nur einige wenige von Schönwald, denn er wollte ein politischer Künstler sein und gegenständlich malen. Den von Fritz Wotruba empfohlenen Weg in die Abstraktion schlug er aus und wandte sich der Grafik zu. Hier fand er seine Meisterschaft und seinen eigenen Stil, erzählerisch und satirisch nahm er damit die heute so beliebte Graphic Novel vorweg.

Die angekauften Blätter sind stark von Schönwalds Erlebnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt und verraten einiges über die Zustände dieser Zeiten. So zum Beispiel der Zyklus Soldatentreffen. Für diesen schloss er sich unter dem Decknamen Otto Schemansky mit Alfred Hrdlicka, Georg Eisler und Fritz Martinz zu einem Künstlerquartett zusammen.

In einem leerstehenden Haus ohne Wasser und ohne Heizung richteten sie sich eine Lithowerkstatt ein und arbeiteten gemeinsam an dieser Grafikmappe, in der sie die Wiederermächtigung alter Nazis, die antikommunistische Politik der USA und die Wiederbewaffnung Österreichs aufzeigten.

Rudolf Schönwald war stets ein Unangepasster, was sich einerseits in seiner Themenwahl niederschlug und andererseits dadurch deutlich wird, dass er es lange Zeit ablehnte, sich wie seine Kollegen institutionell zu verankern oder sich Förderern anzudienen. Somit ist er heute nur mehr einem ausgewählten Kreis ein Begriff. Sein Werk und seine Biographie gilt es, neu zu entdecken.

Der ehemalige Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka fand bereits 1965 treffende Worte für Schönwald, die wir auch heute noch in seinen Werken ausmachen können: „Rudolf Schönwald, jetzt schon 37-jähriger Pykniker war immer schon ein gemütlicher Patron seiner Kunst. Er lässt sich Zeit. Trotzdem ist er motorischer, explosiver als mancher Exzentriker, er ist dynamischer als die Dynamischen vom Informel. Er ist geladen mit Witz und Geist, er wirbelt sie durcheinander, seine Graphik tobt sich aus bevor sie sich zum prägnanten Gleichgewicht sammelt, das ein Bild in der Regel mehrere auf eines bannt, so reich quillt’s aus seiner Feder als Radierung, Lithographie, Zeichnung […].“

Mit diesem besonderen Geschenk zum 30. Jubiläum in der Dorotheergasse hat der Verein der FREUNDE des JMW nicht nur den Sammlungsbestand des Museums außerordentlich bereichert, sondern uns mit vielen neuen Geschichten beschenkt, die wir nun erzählen können.

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