02. Mai 2025

Was guckst du?

von Hannah Landsmann
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Mit dieser Frage titelte ein Vermittlungsprogramm, das das Jüdische Museum Wien am 5. März 2025 im Rahmen von „Schule schaut Museum“ für Schulklassen angeboten hat.

Inspiriert von einem unserer besten und erfolgreichsten Angebote für junge Besucher:innen, es kann durchaus von Erwachsenen gebucht werden, wollten wir wissen, worauf Schüler: innen schauen, worauf sie achten, was ihnen auffällt und was sie links oder rechts liegen lassen. Der Workshop „#objects“ lädt unsere Gäste ein, in den Ausstellungen im Museum jeweils ein Objekt zu finden, das gut gefällt oder gar beeindruckt, und ein zweites, das man nicht schön findet, nicht versteht oder einfach nicht einordnen kann. Schüler: innen gehen in Zweier- oder Dreierteams auf die Suche und sie finden und fotografieren in der Regel nicht einfach zwei Objekte, sondern vier, fünf oder gar noch mehr. Nachdem das Verwenden von Mobiltelefonen im Museum noch gestattet ist, nehmen die Gäste auf diese Weise ihre Eindrücke sogar mit nach Hause.


Am 5. März 2025 waren Schüler: innen des Gymnasiums Bruck an der Leitha bereits um 9.00 in der Dorotheergasse – eine Stunde vor der regulären Öffnungszeit, was eine spezielle Erfahrung darstellt: die Beleuchtung ist anders, die Geräusche sind anders – und man ist fast allein.

DAS Kinderspiel gegen Langeweile, bei dem man nur die eigenen Augen braucht, bildete den Auftakt der gemeinsamen Übung im Sehen, Schauen und Suchen. „Ich seh, ich seh, was ihr nicht seht...“ brachte im Erdgeschoß ganz unterschiedliche Objekte auf die gemeinsame visuelle Bühne. Ein rotes Detail eines Majong-Spiels aus Shanghai, eine schwarze Geschäftstafel, etwas Goldenes an der Wand, etwas Graues in der Luft – das alles hat mit Wiener jüdischer Geschichte zu tun und natürlich mit der Gegenwart der jungen Gäste.

Im zweiten und dritten Stock fotografierten die Schüler:innen jene Objekte, die besonders gefallen oder die Betrachterinnen irritieren, wundern oder stören. Die ausgewählten und fotografierten Objekte zeigen vor allem, dass man erst einmal sieht, was man mag oder kennt. Der zweite Blick, es geht um das Objekt, das man nicht mag oder nicht kennt, zeigt dann, dass wir Situationen, die wir nicht verstehen, oft erst einmal negativ einordnen. Mit der Geschichte dahinter, versteht man das ausgestellte Objekt dann besser, man muss es deshalb noch nicht mögen.

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Dass die antisemitischen Spazierstöcke und Figuren aus der Sammlung von Martin Schlaff fotografiert wurden, zeigt, dass die Schüler:innen darüber reden wollen. Was das sein soll? Warum es hier ausgestellt ist? Dass es ziemlich komisch aussieht.





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Der Mehrwert dieses Angebots liegt auf der Hand, umso mehr, wenn sich Schüler:innen nach dem Besuch des Museums in ihrer Stadt auf die Suche nach der Adresse der Synagoge machen. Das um 1300 errichtete und 1938 für eine Kirche gehaltene und unter Denkmalschutz gestellte Gebäude ist straßenseitig gar nicht sichtbar und nur über ein denkmalgeschütztes Wohnhaus erreichbar. Ein zweiter Blick schadet also nicht.

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Der Rundgang im Museum wurde von Christian Tietge fotografisch begleitet.