Dieser Beitrag ist eine Übersetzung von Mitchell G. Ashs Antwort im Rahmen der Intervention „Kein Raum für Diskussion? Eine Intervention zur Welt seit dem 7. Oktober 2023“, die noch bis zum 14. September 2025 im Museum Dorotheergasse zu sehen ist.
06. Juni 2025
Hyde Park und Herzl: Eine Reflexion zur öffentlichen Erinnerungskultur
von Mitchell G. Ash
War es richtig, dass die Londoner Polizei das Shoah-Mahnmal im Hyde Park abdeckte? Der Protest jüdischer Gruppen und deren Begründungen zeigen deutlich, dass sie das Mahnmal als ein Symbol öffentlicher Anerkennung jüdischen Leidens und als Orientierungspunkt für ihre Identität betrachten. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch die prominente Platzierung des Mahnmals im Hyde Park, einem der öffentlichsten Orte Londons, legt nahe, dass solche Gedenkstätten nicht allein als intellektueller oder psychologischer Besitz einer einzelnen Gruppe verstanden werden können und sollten. Vielmehr dienen sie als Mahnung an die gesamte Menschheit. Intellektuelle oder psychologische Eigentumsansprüche waren in der Politik der öffentlichen Erinnerung ohnehin stets schwer durchzusetzen.
Bestimmte Orte, wie das Wiener Shoah-Mahnmal im neunten Bezirk, auf dem die Namen aller bekannten österreichischen Shoah-Opfer eingraviert sind, mögen Ausnahmen bilden. Dort finden Gedenkfeiern statt, und oft werden Staatsgäste für besondere Zeremonien dorthin gebracht. Es ist klar, dass diese Orte ausschließlich diesem Zweck gewidmet sind. Dort sind auch Überwachungskameras installiert, um Vandalismus vorzubeugen.
Die Polizei im Hyde Park erklärte als Reaktion auf die jüdischen Proteste, das Denkmal sei abgedeckt worden, da man befürchtete, es könnte im Zusammenhang mit sogenannten pro-palästinensischen Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza beschädigt werden. Es ist unklar, ob konkrete, glaubwürdige Drohungen diese Behauptung stützten. Theoretisch hätte die Polizei Kräfte um das Mahnmal postieren können, um Angriffe zu verhindern, anstatt es abzudecken. Doch ein solch intensiver Polizeischutz rund um die Uhr über mehrere Tage wäre wohl nur schwer zu gewährleisten gewesen. Die Befürchtungen der Polizei, entgegen der damaligen kritischen Medienberichterstattung, könnten durchaus berechtigt gewesen sein. Zwei Beispiele aus Wien stützen diese Annahme.
Bestimmte Orte, wie das Wiener Shoah-Mahnmal im neunten Bezirk, auf dem die Namen aller bekannten österreichischen Shoah-Opfer eingraviert sind, mögen Ausnahmen bilden. Dort finden Gedenkfeiern statt, und oft werden Staatsgäste für besondere Zeremonien dorthin gebracht. Es ist klar, dass diese Orte ausschließlich diesem Zweck gewidmet sind. Dort sind auch Überwachungskameras installiert, um Vandalismus vorzubeugen.
Die Polizei im Hyde Park erklärte als Reaktion auf die jüdischen Proteste, das Denkmal sei abgedeckt worden, da man befürchtete, es könnte im Zusammenhang mit sogenannten pro-palästinensischen Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza beschädigt werden. Es ist unklar, ob konkrete, glaubwürdige Drohungen diese Behauptung stützten. Theoretisch hätte die Polizei Kräfte um das Mahnmal postieren können, um Angriffe zu verhindern, anstatt es abzudecken. Doch ein solch intensiver Polizeischutz rund um die Uhr über mehrere Tage wäre wohl nur schwer zu gewährleisten gewesen. Die Befürchtungen der Polizei, entgegen der damaligen kritischen Medienberichterstattung, könnten durchaus berechtigt gewesen sein. Zwei Beispiele aus Wien stützen diese Annahme.

© Wikimedia Commons
Das unverhüllte Holocaust-Mahnmal im Hyde Park, London, 2020

© Hollie Adams/REUTERS/APA picturedesk.com
Am 27. April 2024 deckten die Behörden der Royal Parks das Holocaust-Mahnmal im Hyde Park ab, um es während einer palästinensischen Solidaritätsdemonstration vor möglichem Vandalismus zu schützen.
Das erste Beispiel ist die Sachbeschädigung der sogenannten „Herzl-Stiege“ in Wien. Diese Steinstufen führen von der Sterngasse zum Desider-Friedmann-Platz, nahe der Zentrale der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. An einer Steinmauer neben den Stufen befindet sich eine Tafel zu Ehren Theodor Herzls, des Begründers des Zionismus, der in Wien lebte und arbeitete. In der Nacht des 21. September 2004 schrieben maskierte Personen den Slogan „Stoppt den Zionismus. Sieg der Intifada“ an die Wände, zertrümmerten die Gedenktafel für Herzl und entkamen. Videos ihrer Tat, von Komplizen aufgenommen, erschienen kurz darauf online. Obwohl der Angriff sofort der örtlichen Polizei gemeldet wurde, konnten die Täter nicht gefasst werden.

© Violeta Villacorta Apaza, JMW
Die „Herzl-Stiege“, Wien, 2025

© Günter R. Artinger, APA picturedesk.com
Die beschädigte „Herzl-Stiege“, Wien, 2004
Ein zweiter Angriff auf ein Herzl-Denkmal ereignete sich am 24. November 2024. Die große Gedenktafel an dem Gebäude in der Wiener Berggasse, in dem Herzl einst lebte und arbeitete, wurde mit roter Farbe beschmiert, die von den Tätern als „Blut“ bezeichnet wurde. Dieser Anschlag wurde drei Tage später, am 27. November 2024, auf einem Symposium an der Diplomatischen Akademie Wien zum 120. Todestag Herzls unter dem Titel „Remembering What Herzl Stood For: The Past and Future of Zionism“ als Beispiel für die Bedrohung jüdischen Lebens in Wien genannt. Das Symposium wurde vom Center for Israel Studies Vienna organisiert, einem unabhängigen zivilgesellschaftlichen Verein, dessen Präsident ich bin. Zwei Tage vor der Veranstaltung forderten Protestierende deren sofortige Absage. Daraufhin zog der Direktor der Diplomatischen Akademie Sicherheitskräfte hinzu, um den Saal zu schützen. Er erwähnte die Angriffe auf die Herzl-Denkmäler in seinen Grußworten bei der Veranstaltung, was von einem Vertreter der israelischen Botschaft bestätigt wurde. Die Protestierenden veröffentlichten später polemische Videos gegen die Veranstaltung, von denen eines einen zustimmenden Link zu dem Video des Vandalismus an der Herzl-Stiege enthielt.

© Violeta Villacorta Apaza, JMW
Die Herzl-Gedenktafel an der Berggasse, Wien, 2025

© IKG Antisemitismus Meldestelle Wien
Die mit roter Farbe beschmierte Herzl-Gedenktafel an der Berggasse, Wien, 2024
Die Herzl-Denkmäler wurden schnell repariert. Meines Wissens hat niemand vorgeschlagen, diese Denkmäler oder irgendeine Shoah-Gedenkstätte in Deutschland oder Österreich abzudecken oder der Öffentlichkeit zu entziehen, es sei denn, es handelte sich um eine künstlerische Initiative, die die Erinnerung verstärken sollte. Jedenfalls war die Abdeckung des Denkmals im Hyde Park nur temporär, sodass sie nicht mit der Damnatio memoriae gleichgesetzt werden kann, die den öffentlichen Denkmälern von Sklavenhaltern in Großbritannien auferlegt wurde, die beschädigt und in einem Fall sogar in einen Fluss geworfen wurden. Die öffentliche Diskussion über den Umgang mit Erinnerungsorten und -objekten wird sicherlich weiterhin kontrovers bleiben, gerade weil sich solche Orte und Objekte im öffentlichen Raum befinden, in dem, wie bereits erwähnt, ausschließliche intellektuelle oder psychologische Eigentumsrechte schwer, wenn nicht gar unmöglich aufrechtzuerhalten sind. Die Zeit, in der Shoah-Mahnungen von Passanten ignoriert werden könnten, so wie heute in Wien Denkmäler längst vergessener Adliger und Fürsten auf riesigen Pferden ignoriert werden, mag niemals kommen. Und das wäre eine sehr gute Sache!