16. Juni 2025

Pride Month: Das Leben und Wirken von Dr. Fritz Klein – Ein österreichisch-amerikanischer Sexualforscher

von Grace Suter
© The American Institute of Bisexuality
Dr. Fritz Klein

Während meiner Recherche für Geschichten zum Pride Month im Rahmen meines Praktikums stieß ich auf Dr. Fritz Klein (1932–2006), einen österreichisch-amerikanischen Sexualforscher. Sein Leben und seine Beiträge zur Sexualforschung verdienen Anerkennung. Fritz Klein wurde 1932 in Wien geboren – zu einer Zeit, als Wien ein führendes Zentrum der Sexualforschung war (mehr dazu im Ausstellungskatalog Love Me Kosher. Liebe und Sexualität im Judentum [2022]). Geboren in eine orthodox-jüdische Familie, sprach Klein in seinen ersten sechs Lebensjahren Deutsch, bevor seine Familie vor der nationalsozialistischen Verfolgung floh und sich in New York City niederließ. Dort wuchs er in einem englischsprachigen Umfeld auf, machte 1953 seinen Bachelor-Abschluss an der Yeshiva University in New York und 1955 seinen MBA an der Columbia University. Später erkannte er, dass er eine Karriere in der Psychiatrie anstreben wollte, und promovierte 1971 an der Universität Bern in Sexualtherapie.

Seine Beiträge zur LGBTQ+-Community sind zahlreich und begannen nach seiner Facharztausbildung in Psychiatrie am New York Medical College im Jahr 1974. Klein begann, in der New York Public Library zur Bisexualität zu forschen, fand jedoch nur zwei Artikel und kein einziges Buch zu diesem Thema. Trotz vorhandener Literatur zur Homosexualität schien Bisexualität im Index Medicus, der alle Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften auflistet, als Kategorie zu fehlen. Klein selbst identifizierte sich stolz als bisexuell – trotz orthodoxer Widerstände gegenüber queeren Identitäten. Sowohl er als auch seine bisexuellen Freunde machten immer wieder die Erfahrung, dass Bisexualität als „Verkleidung“, „Unentschlossenheit“ oder „vorübergehend“ abgetan wurde – und somit weder in heterosexuellen noch in homosexuellen Gemeinschaften wirklich akzeptiert war.

Klein begann seine Forschung zur Bisexualität, indem er Anzeigen in einer Wochenzeitung schaltete und Menschen einlud, die sich für Bisexualität interessierten, wöchentlich zu ihm nach Hause zu kommen, um über ihre Erfahrungen und das Konzept insgesamt zu sprechen. Laut Klein war dies eine Art Selbsthilfegruppe. 1978 veröffentlichte er die erste Ausgabe seines Buches The Bisexual Option, in dem er unter anderem die gesellschaftliche Ablehnung gegenüber Bisexuellen thematisiert. Ein zentrales Thema des Buches ist das von ihm entwickelte „Klein Sexual Orientation Grid“.

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© Wikipedia
Abbildung von Kleins Raster der sexuellen Orientierung

Dieses Orientierungsraster erweitert die Kinsey-Skala und unterstützt die Sichtweise, dass Sexualität ein Kontinuum ist. Die Kinsey-Skala ist ein eindimensionales Spektrum sexueller Orientierung, das von 0 (ausschließlich heterosexuell) bis 6 (ausschließlich homosexuell) reicht. Kleins System ist ein multidimensionales Raster, das neben tatsächlichen Erfahrungen auch psychologische Aspekte und Wunschvorstellungen über ideale sexuelle Begegnungen berücksichtigt. Er stellt Fragen zur gewünschten Zukunft von Beziehungen und zur Selbstidentifikation. Er reiste um die Welt, um seine Skala mit bisexuellen Gemeinschaften zu diskutieren, und betonte stets, dass jeder Mensch sich so identifizieren dürfe, wie er es für richtig halte. Wer sich zu Männern und Frauen hingezogen fühlt, sich aber lieber als schwul oder lesbisch identifizieren möchte, solle das tun dürfen – aber nicht, weil andere es erwarten. Sein Raster wird heute häufig als Forschungsinstrument verwendet.

Klein unterschied sich von vielen anderen Sexualforschern seiner Zeit, da viele seiner Kollegen seine Unterstützung für das Konzept der Bisexualität ablehnten. Im späten 20. Jahrhundert war Bisexualität womöglich ein noch umstritteneres Thema als Homosexualität. Menschen neigen dazu, das abzulehnen, was sie nicht verstehen – und viele verstanden nicht, wie es möglich sein sollte, sich zu beiden Geschlechtern hingezogen zu fühlen. Klein schuf weltweit Räume für Bisexuelle, insbesondere in den USA. 1998 gründete er das American Institute for Bisexuality und organisierte Konferenzen, um zu zeigen, dass „bisexuell“ kein Synonym für „homosexuell“ ist – entgegen der damals weit verbreiteten Meinung. Er plädierte für ein Spektrum der Sexualität und betonte, dass Menschen mehr sind als nur ihre sexuelle Orientierung. Die Vielzahl seiner Veröffentlichungen, seine internationale Lehrtätigkeit und seine spätere Arbeit als klinischer Dozent an der University of California – San Diego zeugen von seiner Leidenschaft für das Thema und sorgen dafür, dass seine Forschung bis heute Menschen bildet.

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© JMW
IES Vienna Praktikantin Grace Suter und Kuratorin Caitlin Gura am letzten Tag ihres Praktikums