26. Juni 2025

Museen sind politische Orte

von Barbara Staudinger
© Ouriel Morgensztern
Indem sie humanistische Grundwerte vertreten, die Gleichwertigkeit und Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen, wirken Museen gesellschaftspolitisch, antworten (oder versuchen es zumindest) auf gesellschaftliche Polarisierung und stellen sich gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein – in einer Zeit, in der das Selbstverständliche ins Wanken gekommen ist, sollte man das aber vielleicht öfter wiederholen.

Sind Museen in dieser Hinsicht politische Orte, so gilt das noch viel mehr für Jüdische Museen, die ja eine Geschichte des Kampfes um Gleichstellung, eine Geschichte des Ausschlusses und der Integration, eine Geschichte des Zusammenlebens, aber auch der Diskriminierung und Verfolgung erzählen. Jüdische Museen sind Museen einer historischen und gegenwärtigen Minderheit. Und da Minderheiten historisch wie gegenwärtig als Sündenböcke für alles herhalten müssen, haben Jüdische Museen umso mehr die Verpflichtung, die Fahne des Humanismus hochzuhalten, sich gegen allzu bequemliche Vereinfachungen zu stellen, Differenzierungen einzufordern, auch unangenehme Fragen anzusprechen – und vielleicht keine einfachen Antworten parat zu haben. Dafür laden sie zum Nachdenken ein, über Gott und die Welt, darüber, dass es verschiedene Perspektiven und Erfahrungen gibt und sich das große Ganze der Geschichte und der Gegenwart eben auch aus diesen unterschiedlichen Blickwinkeln zusammensetzt. Jüdische Museen laden ein, sich selbst, die eigenen Bilder im Kopf und zurechtgelegten Wahrheiten zu hinterfragen. Nimmt man das ernst, dann geht man ein bisschen anders aus dem Museum heraus, wie man hereingekommen ist. Nicht als anderer Mensch, sondern um eine Erfahrung reicher.

Jüdische Museen sind politische Orte, aber keine tagespolitischen Kommentare – nicht nur, weil Differenzierungen und wissenschaftliche Arbeit Zeit brauchen, sondern auch, weil Museen zwar politische Orte sind, aber keine Orte der Politik werden dürfen, wollen sie ihrem Auftrag gerecht werden. Vielleicht ist das nicht allen verständlich, wie zum Beispiel dem Facebook-User, der unter einem Beitrag zu unserer Ausstellung „Sag mir, wo die Blumen sind … 80 Jahre nach dem Krieg – Fotografien von Roger Cremers“, in der es um die Erinnerung an die Schoa und den Zweiten Weltkrieg geht, fragte, ob hier auch Fotos aus Gaza gezeigt werden. Ich würde mir wünschen, dass der Verfasser dieses Kommentars sich die Ausstellung ansieht. Die gleichzeitig sensible wie auch kritische Dokumentation macht viele Fragen nach unserem Umgang mit der Vergangenheit, unserer Gedenkkultur und unserer Haltung zur Erinnerung auf, die einem auch für die Gegenwart etwas mitgeben: Was wird erinnert, was vergessen wir? Und wie erinnern wir uns?

Jüdische Museen sind politische Orte, in denen nicht nur über den Holocaust, die Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden und die in der Geschichte immer wieder erfolgte Vertreibung der jüdischen Bevölkerung erzählt werden. Es sind Orte, die von der Möglichkeit des Zusammenlebens sprechen, es sind Orte, die aus der Vergangenheit heraus auch Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Wenn mich daher jemand fragt, welche Programme des Jüdischen Museums der Antisemitismusbekämpfung gewidmet sind, bin ich immer ein bisschen unsicher. Denn eigentlich werden in jeder Führung und in jedem Workshop Vorurteile hinterfragt, andere Blickwinkel eröffnet und das Gemeinsame über das Trennende gestellt, ob dies nun anhand der Geschichte der Schoa ist oder anhand einer vordergründig damit nicht verbundenen Ausstellung wie „G*tt. Die großen Fragen zwischen Himmel und Erde“. In jeder Ausstellung und in jedem Winkel des Museums versuchen wir nicht das zu reproduzieren, was vielleicht die Mehrheit glaubt, was jüdisch ist, sondern genau diese Bilder zu hinterfragen, zu differenzieren und zu zeigen, dass Jüdischsein Vielfalt bedeutet und nicht auf einen wie auch immer gearteten gesellschaftlichen Beitrag reduziert werden kann.

Um es allen leicht zu machen, welche Programme des Museums sich nun schwerpunktmäßig mit Antisemitismus beschäftigen, bieten wir für Schulen zwei Workshops gratis an: „Rechts oder richtig“ und „Lost in Nahost?“ setzen sich mit Rechtsradikalem Gedankengut bzw. mit israelbezogenem Antisemitismus auseinander – ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Kontext und Geschichte(n).
 
Sollten Sie sich nun immer noch fragen, was das Politische an unseren Ausstellungen und unseren Programmen ist, dann kommen Sie einfach vorbei, schauen Sie sich unsere Ausstellungen in der Dorotheergasse und am Judenplatz an und fragen uns – wir sind sehr gerne für alle Ihre Fragen da.