30. Juli 2025
Kolumne aus der Direktion

Hologramme mit Geschichte

von Barbara Staudinger
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Betrat man vor dem Jahr 2011 die Dauerausstellung des Jüdischen Museums in der Dorotheergasse, wurde man im 2. Stock mit einer begehbaren Installation empfangen: Insgesamt 21 Glasplatten, die über den Raum verteilt waren, zeigten oder verbargen, je nach Winkel, den man zu ihnen einnahm, Hologramme von Objekten, Bildern und Fotos, die die jüdische Geschichte Wiens repräsentierten. Kuratiert von der damaligen Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek waren sie, so die Kritik, vielleicht nicht für jede:n Besucher:in leicht erschließbar, was sie jedoch allen vermittelten, war, dass es etwas an der jüdischen Geschichte gab, was sich entzog, was nicht leicht begreifbar, flüchtig und durchscheinend war. Wer die Ausstellung verließ, hatte womöglich das Gefühl, nicht genug Greifbares zur jüdischen Geschichte Wiens mitbekommen zu haben, was jedoch auf jeden Fall mitgenommen wurde, war ein Gefühl des Verlusts – eines Verlusts, der nicht ungeschehen gemacht werden kann. Dieses In Bezug Setzen von Vergangenheit und Gegenwart ist eigentlich mehr, als man sich als Erkenntnis nach dem Besuch einer Dauerausstellung erwarten kann.

Was die Hologramme thematisierten, war der Bruch, der durch jedes Jüdische Museum geht: Allein die Existenz Jüdischer Museen nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Folge der Schoa, ohne diese die meisten Objekte der historischen Sammlung nicht im Museum, sondern an den Orten ihres ursprünglichen Gebrauchs, in Synagogen, Vereinen, Haushalten wären. In den meisten historischen Objekten ist damit die Schoa eingeschrieben – und sie erzählen damit auch eine Dimension der Verfolgungs- und Vernichtungsgeschichte. Als die Objekte hergestellt wurden oder noch im Gebrauch waren, konnten dies ihre Besitzer:innen natürlich nicht wissen. Denn niemand weiß, was in der Zukunft passieren wird. Und auch Jakob Bronner, der 1958 im israelischen Exil verstorbene Kurator des ersten Jüdischen Museums in Wien wusste es nicht, als er die ersten Objekte sammelte. Wenn wir uns aber heute diese Objekte ansehen, können wir unser Wissen nicht ausblenden. Wir wissen, was geschehen ist und wir wissen zumeist auch, was mit den Besitzer:innen der Objekte – soweit diese bekannt sind – passiert ist. Diese Schicht an Wissen, die über jedes Objekt gelegt wird, erfahrbar zu machen, ist die Herausforderung für jede Dauerausstellung in einem Jüdischen Museum – oder sollte es zumindest sein.

Die Hologramme der alten Dauerausstellung des Jüdischen Museums waren, auch wenn sie heute aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, genau deswegen wichtig: Weil sie nicht zuließen, dass wir so tun, als würden wir nicht wissen, was passiert ist. Weil sie ständig darauf verwiesen, was verloren ging und weil sie verweigerten, einen Blick auf die Geschichte zu werfen, ohne an die Schoa zu denken. Das war – und ist in gewisser Weise heute noch – neu in der Welt der Jüdischen Museen. Jüdische Museen kämpfen bis heute damit, keine Holocaustmuseen sein zu wollen, jedoch eine Sammlung zu haben, die zu einem großen Teil erst durch die Schoa zur Sammlung wurde. Eine Lösung hatte man lange darin gefunden und findet man zum Teil heute noch, diesen Umstand einfach nicht zu thematisieren, Objekte also herausgelöst von ihrer Verfolgungsgeschichte zu zeigen – weil eben die Zeitgenossen nicht gewusst hätten, was die Zukunft bringen würde. Aber es ist eben nicht so einfach, sondern genau genommen das Dilemma Jüdischer Museen.

Für das Jüdische Museum Wien wünsche ich mir eine Dauerausstellung, die diesen Filter, durch den wir heute und im Wissen von der Schoa auf die jüdische Geschichte Wiens schauen, sichtbar macht. Trotzdem soll sie Geschichten erzählen können, die nicht nur mit der größten Zäsur in der jüdischen Geschichte zu tun haben. Sie soll sich an dem Anspruch messen, intellektuell aber nicht schwer zugänglich zu sein. Sie soll differenzieren ohne zu komplex zu werden … Wie Sie sehen, ist das keine leichte Aufgabe, aber eine sehr spannende. Was dabei herauskommen wird, können Sie ab Ende 2027 in der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums sehen.

Im Zuge der Umbauarbeiten, die der neuen Dauerausstellung im Palais Eskeles vorangingen, wurden die 21 Hologramme zerstört – an den folgenden medialen Aufschrei sowie den Versuch der damage control seitens der Direktion können sich sicherlich noch einige erinnern. Ein zweites Set der Hologramme, das für Präsentationen im Ausland gedacht war, würde noch existieren, hieß es damals seitens des Museums. Dass diese nicht aus Glas, sondern aus Plexiglas und damit nicht für die Ewigkeit gebaut waren, wurde nicht erwähnt. Das Museum, das eigentlich eine Institution ist, die Geschichte bewahrt, hat damit einen Teil seiner eigenen Geschichte verloren.