22. Dezember 2025
Kolumne aus der Direktion
Jahresende und Neuanfang – auf ein gutes Museumsjahr 2026!
von Barbara Staudinger
Wenn die Tage kurz sind und scheinbar mit den langen, dunklen Nächten verschmelzen, weiß man, dass das Jahr zu Ende geht und man sich auf ein neues Jahr freuen oder von diesem zumindest erhoffen kann, dass es wieder etwas Licht ins Dunkel bringt – im wörtlichen wie übertragenen Sinne. Das Team des Jüdischen Museums Wien freut und hofft mit Ihnen und hat für 2026 ein vielseitiges, spannendes und reflektierendes Programm zusammengestellt, das zum Dialog, aber auch zur Selbstreflexion einlädt, das Unbekanntes präsentiert und Bekanntes aus einer neuen Perspektive betrachtet. Und weil die dunkle Jahreszeit auch immer die Zeit der Geschenke ist, schenke ich Ihnen zum Jahresausklang eine persönliche kleine Sneak Preview auf unser kommendes Programm:
Bereits im Jänner wartet die nächste Ausstellungseröffnung im Museum Judenplatz auf Sie: „Alles vergessen“ beschäftigt sich aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive mit der nur wenig beachteten, anderen Seite des Erinnerns. Die Ausstellung spannt mit ausgesuchten Objekten und Kunstwerken einen weiten Bogen vom individuellen zum gesellschaftlichen Vergessen, vom intentionalen Verdrängen zum Auslöschen und vom Verlorengehen zu Versuchen, etwas dem Vergessen zu entreißen. Vom jüdischen Gebot zu vergessen bis zur österreichischen Vergessenskultur nach 1945 erzählt die Ausstellung viele Geschichten – und stellt die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Vergessen und dem Vergessenen umgehen.
Im Museum Dorotheergasse läuft bis Ende April noch unsere im Herbst eröffnete Ausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und Vorurteile“, die ich Ihnen besonders ans Herz legen will, da sie nicht nur einen differenzierten Blick darauf wirft, wie in Vergangenheit und Gegenwart Jüdinnen und Juden in eine rassistische Weltordnung eingeordnet wurden, sondern auch zum anderen jüdische Vielfalt feiert und von ganz unterschiedlichen jüdischen Selbstwahrnehmungen erzählt. Denn obwohl wir alle eine Hautfarbe haben, geht es oft mehr darum, welche Hautfarbe und welche damit verbundenen angeblichen Eigenschaften uns von anderen zugeteilt werden – oder wir uns auch selbst zuschreiben.
Im Mai startet danach unsere nächste große Ausstellung in der Dorotheergasse, die diesmal einem israelischen Künstler gewidmet ist: Eran Shakine befasst sich in einer großen Bilderserie seit Jahren mit den drei abrahamitischen Religionen, mit ihren Gemeinsamkeiten und den Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens. „A Muslim, a Christian, and a Jew …“, so der Titel jedes Bildes, beginnt wie ein Witz, aber ist bei genauerer Betrachtung ein mit feinem Humor und philosophischer Tiefgründigkeit gemalter und gezeichneter Kommentar zum Zustand der Welt. Ein Muslim, ein Christ und ein Jude erleben als Drillinge Alltägliches und Außergewöhnliches, Trennendes und Verbindendes – und in jedem Bild kommen sie zu einer großen oder kleinen Einsicht, die uns manchmal Lachen lässt, uns rührt oder zum Denken anregt.
„Wieviel Heimat braucht der Mensch?“, fragt der Auschwitz-Überlebende Jean Améry in einem seiner unvergessenen Essays, in dem er von seiner Zeit im belgischen Exil vor seiner Verhaftung und folgenden Deportation berichtet. Exil bedeutet der Verlust der Heimat – und das ist viel mehr als nur ein Ort. Folgt man Améry so ist es Sprache, Gestik, Orientierung, Freunde, Familie und noch viel mehr. Es ist ein Hinausfallen aus jeglichem bekannten Bezugsrahmen, ein Alleinsein in der Welt. Mit diesen Dimensionen des Heimatverlusts setzt sich ab September unsere neue Wechselausstellung am Judenplatz auseinander, die exemplarische Geschichten vertriebener Wiener Jüdinnen und Juden erzählt und den historischen Rahmen von der institutionalisierten Vertreibung in der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ bis zur (un)möglichen Rückkehr der Exilant:innen spannt.
Den Abschluss unseres Ausstellungsprogramms 2026 macht im November die Erfolgsausstellung „Die Morgenländer. Jüdische Forscher und Abenteurer auf der Suche nach dem Eigenen im Fremden“ des Jüdischen Museums Hohenems, die für das Jüdische Museum Wien nicht nur umgearbeitet, sondern auch mit zahlreichen neuen Highlights versehen wird. Die große Schau zeigt die Faszination, die der Orient, der Islam und folglich auch die Islamwissenschaften auf jüdische Wissenschaftler, Abenteurer und Literaten im 19. Jahrhundert ausübte. In einer Zeit, in der judenfeindliche Ressentiments immer stärker wurden und der moderne Antisemitismus sich ausbildete, die nichtjüdische, christliche Umgebung also immer feindlicher wurde, suchten Juden nach sich selbst: durch eine wissenschaftliche, aber auch spirituelle und kulturelle Verortung im arabisch geprägten Orient. Die Ausstellung spürt diesen Strömungen, vor allem aber ihren jüdischen, oft Wiener Protagonisten und ihren zum Teil abenteuerlichen Lebensgeschichten nach.
Neben unserem Ausstellungsprogramm haben wir natürlich auch noch viel mehr geplant. Im Project Space im Atrium des Museums Dorotheergasse finden Sie Installationen und Kleinstausstellungen, die sich unter anderem mit dem Versteck eines Wiener Juden, mit dem Scheitel oder auch mit der unbekannten Geschichte eines Harfenkastens der New York Philharmonics auseinandersetzen. Und im Schaufenster des Museums thematisieren wir ebenfalls viele aktuelle Themen, nicht zuletzt auch das 200jährige Jubiläum des Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse, der im Herbst nach seiner Renovierung feierlich wiedereröffnet wird.
Dieses Jubiläum wird selbstverständlich auch unser Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm begleiten, das dieses Jahr besonders vielfältig sein wird. Anlässlich der Ausstellung „A Muslim, a Christian, and a Jew“ werden wir unter anderem ein neues Format hinzufügen, das Sie als Besucher:innen wieder ganz besonders miteinbeziehen wird – Sie dürfen gespannt sein!
Auch wenn die letzten Jahre nicht leicht für das Jüdische Museum waren, steht das Jüdische Museum Wien auch 2026 und in Zukunft für eine offene, liberale und vielfältige Stadtgesellschaft. Wir wollen Menschen zusammenbringen, anstatt sie weiter auseinanderzutreiben. Wir stehen für offenen Dialog, für Differenzierung statt für Vereinfachung, wir glauben weiterhin an das gesellschaftliche Miteinander anstatt an ein Gegeneinander einzelner Gruppen oder Bevölkerungsteile. Wir wissen, das ist anstrengend, aufreibend und nicht immer erfreulich – aber wir wissen auch, dass es der richtige Weg ist. Ein Haus, das nicht nur für alle offen sein will, sondern auch nach Außen geht, braucht auch institutionell viele Verbündete. Nicht zuletzt daher ist 2026 auch ein Jahr von vielen Kooperationen, auf die ich mich schon ganz besonders freue. Ganz besonders verbunden sind wir mit unseren FREUNDEN –unterstützen Sie uns und werden Sie Mitglied!
Viele von Ihnen haben wahrscheinlich den Medien entnommen, dass das Jüdische Museum Wien von den zum Teil großen Einsparungen, die auch den Kulturbereich betreffen, ausgenommen wurde. Die Stadt Wien hat damit nicht nur ein Bekenntnis zur gesellschaftlichen Bedeutung der Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur abgegeben, sondern auch ein Zeichen gesetzt, dass unsere Stimme in einer Zeit, in der Antisemitismus eine reale und existentielle Bedrohung in lange nicht mehr erlebtem Ausmaß geworden ist, nicht leiser werden darf. Wir nehmen diesen Auftrag der Stadt Wien sehr ernst, das verspreche ich Ihnen.
Ich freue mich schon sehr, Sie in der Zeit, die sich „zwischen den Jahren“ nennt, oder im beginnenden, frischen und hoffentlich hoffnungsvollen 2026 im Jüdischen Museum Wien, willkommen zu heißen! Lassen Sie sich überraschen, verführen, anregen … und lassen Sie sich überzeugen, dass die Möglichkeit, die Geschichte der Stadt oder auch große gesellschaftliche Themen aus anderer Perspektive zu erleben, den Blick auf unsere Vergangenheit und Gegenwart ändert.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen friedvolle Feiertage und einen schönen Jahreswechsel – bis bald im Jüdischen Museum Wien!
Barbara Staudinger
Bereits im Jänner wartet die nächste Ausstellungseröffnung im Museum Judenplatz auf Sie: „Alles vergessen“ beschäftigt sich aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive mit der nur wenig beachteten, anderen Seite des Erinnerns. Die Ausstellung spannt mit ausgesuchten Objekten und Kunstwerken einen weiten Bogen vom individuellen zum gesellschaftlichen Vergessen, vom intentionalen Verdrängen zum Auslöschen und vom Verlorengehen zu Versuchen, etwas dem Vergessen zu entreißen. Vom jüdischen Gebot zu vergessen bis zur österreichischen Vergessenskultur nach 1945 erzählt die Ausstellung viele Geschichten – und stellt die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Vergessen und dem Vergessenen umgehen.
Im Museum Dorotheergasse läuft bis Ende April noch unsere im Herbst eröffnete Ausstellung „Schwarze Juden, Weiße Juden? Über Hautfarben und Vorurteile“, die ich Ihnen besonders ans Herz legen will, da sie nicht nur einen differenzierten Blick darauf wirft, wie in Vergangenheit und Gegenwart Jüdinnen und Juden in eine rassistische Weltordnung eingeordnet wurden, sondern auch zum anderen jüdische Vielfalt feiert und von ganz unterschiedlichen jüdischen Selbstwahrnehmungen erzählt. Denn obwohl wir alle eine Hautfarbe haben, geht es oft mehr darum, welche Hautfarbe und welche damit verbundenen angeblichen Eigenschaften uns von anderen zugeteilt werden – oder wir uns auch selbst zuschreiben.
Im Mai startet danach unsere nächste große Ausstellung in der Dorotheergasse, die diesmal einem israelischen Künstler gewidmet ist: Eran Shakine befasst sich in einer großen Bilderserie seit Jahren mit den drei abrahamitischen Religionen, mit ihren Gemeinsamkeiten und den Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens. „A Muslim, a Christian, and a Jew …“, so der Titel jedes Bildes, beginnt wie ein Witz, aber ist bei genauerer Betrachtung ein mit feinem Humor und philosophischer Tiefgründigkeit gemalter und gezeichneter Kommentar zum Zustand der Welt. Ein Muslim, ein Christ und ein Jude erleben als Drillinge Alltägliches und Außergewöhnliches, Trennendes und Verbindendes – und in jedem Bild kommen sie zu einer großen oder kleinen Einsicht, die uns manchmal Lachen lässt, uns rührt oder zum Denken anregt.
„Wieviel Heimat braucht der Mensch?“, fragt der Auschwitz-Überlebende Jean Améry in einem seiner unvergessenen Essays, in dem er von seiner Zeit im belgischen Exil vor seiner Verhaftung und folgenden Deportation berichtet. Exil bedeutet der Verlust der Heimat – und das ist viel mehr als nur ein Ort. Folgt man Améry so ist es Sprache, Gestik, Orientierung, Freunde, Familie und noch viel mehr. Es ist ein Hinausfallen aus jeglichem bekannten Bezugsrahmen, ein Alleinsein in der Welt. Mit diesen Dimensionen des Heimatverlusts setzt sich ab September unsere neue Wechselausstellung am Judenplatz auseinander, die exemplarische Geschichten vertriebener Wiener Jüdinnen und Juden erzählt und den historischen Rahmen von der institutionalisierten Vertreibung in der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ bis zur (un)möglichen Rückkehr der Exilant:innen spannt.
Den Abschluss unseres Ausstellungsprogramms 2026 macht im November die Erfolgsausstellung „Die Morgenländer. Jüdische Forscher und Abenteurer auf der Suche nach dem Eigenen im Fremden“ des Jüdischen Museums Hohenems, die für das Jüdische Museum Wien nicht nur umgearbeitet, sondern auch mit zahlreichen neuen Highlights versehen wird. Die große Schau zeigt die Faszination, die der Orient, der Islam und folglich auch die Islamwissenschaften auf jüdische Wissenschaftler, Abenteurer und Literaten im 19. Jahrhundert ausübte. In einer Zeit, in der judenfeindliche Ressentiments immer stärker wurden und der moderne Antisemitismus sich ausbildete, die nichtjüdische, christliche Umgebung also immer feindlicher wurde, suchten Juden nach sich selbst: durch eine wissenschaftliche, aber auch spirituelle und kulturelle Verortung im arabisch geprägten Orient. Die Ausstellung spürt diesen Strömungen, vor allem aber ihren jüdischen, oft Wiener Protagonisten und ihren zum Teil abenteuerlichen Lebensgeschichten nach.
Neben unserem Ausstellungsprogramm haben wir natürlich auch noch viel mehr geplant. Im Project Space im Atrium des Museums Dorotheergasse finden Sie Installationen und Kleinstausstellungen, die sich unter anderem mit dem Versteck eines Wiener Juden, mit dem Scheitel oder auch mit der unbekannten Geschichte eines Harfenkastens der New York Philharmonics auseinandersetzen. Und im Schaufenster des Museums thematisieren wir ebenfalls viele aktuelle Themen, nicht zuletzt auch das 200jährige Jubiläum des Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse, der im Herbst nach seiner Renovierung feierlich wiedereröffnet wird.
Dieses Jubiläum wird selbstverständlich auch unser Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramm begleiten, das dieses Jahr besonders vielfältig sein wird. Anlässlich der Ausstellung „A Muslim, a Christian, and a Jew“ werden wir unter anderem ein neues Format hinzufügen, das Sie als Besucher:innen wieder ganz besonders miteinbeziehen wird – Sie dürfen gespannt sein!
Auch wenn die letzten Jahre nicht leicht für das Jüdische Museum waren, steht das Jüdische Museum Wien auch 2026 und in Zukunft für eine offene, liberale und vielfältige Stadtgesellschaft. Wir wollen Menschen zusammenbringen, anstatt sie weiter auseinanderzutreiben. Wir stehen für offenen Dialog, für Differenzierung statt für Vereinfachung, wir glauben weiterhin an das gesellschaftliche Miteinander anstatt an ein Gegeneinander einzelner Gruppen oder Bevölkerungsteile. Wir wissen, das ist anstrengend, aufreibend und nicht immer erfreulich – aber wir wissen auch, dass es der richtige Weg ist. Ein Haus, das nicht nur für alle offen sein will, sondern auch nach Außen geht, braucht auch institutionell viele Verbündete. Nicht zuletzt daher ist 2026 auch ein Jahr von vielen Kooperationen, auf die ich mich schon ganz besonders freue. Ganz besonders verbunden sind wir mit unseren FREUNDEN –unterstützen Sie uns und werden Sie Mitglied!
Viele von Ihnen haben wahrscheinlich den Medien entnommen, dass das Jüdische Museum Wien von den zum Teil großen Einsparungen, die auch den Kulturbereich betreffen, ausgenommen wurde. Die Stadt Wien hat damit nicht nur ein Bekenntnis zur gesellschaftlichen Bedeutung der Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur abgegeben, sondern auch ein Zeichen gesetzt, dass unsere Stimme in einer Zeit, in der Antisemitismus eine reale und existentielle Bedrohung in lange nicht mehr erlebtem Ausmaß geworden ist, nicht leiser werden darf. Wir nehmen diesen Auftrag der Stadt Wien sehr ernst, das verspreche ich Ihnen.
Ich freue mich schon sehr, Sie in der Zeit, die sich „zwischen den Jahren“ nennt, oder im beginnenden, frischen und hoffentlich hoffnungsvollen 2026 im Jüdischen Museum Wien, willkommen zu heißen! Lassen Sie sich überraschen, verführen, anregen … und lassen Sie sich überzeugen, dass die Möglichkeit, die Geschichte der Stadt oder auch große gesellschaftliche Themen aus anderer Perspektive zu erleben, den Blick auf unsere Vergangenheit und Gegenwart ändert.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen friedvolle Feiertage und einen schönen Jahreswechsel – bis bald im Jüdischen Museum Wien!
Barbara Staudinger