Die anonyme Beute aus dem Dorotheum

 

Im März 1938 wurde das Dorotheum unter kommissarische Verwaltung gestellt. Leitende Mitarbeiter:innen, einschließlich des Generaldirektors, wurden ausgetauscht und auf Adolf Hitler vereidigt. Im Sommer 1938 wurden 29 jüdische Mitarbeiter:innen entlassen oder in den Ruhestand versetzt. Franz Hofbauer und Anton Jennewein, beide Mitglieder der NSDAP, übernahmen die Leitung des Dorotheums.

Jennewein verfolgte eine Strategie zur Stärkung des Kunstgeschäfts und suchte Kooperationen mit verschiedenen Behörden. Das Dorotheum führte Versteigerungen von Einrichtungsgegenständen und Schmuck von „Jüdinnen“ und „Juden“ sowie anderen Verfolgten des NS-Regimes durch, womit erhebliche Umsätze erreicht werden konnten. Die Gestapo ließ ganze Wohnungseinrichtungen nach der Konfiszierung direkt in den Wohnungen durch das Dorotheum versteigern und beschlagnahmte die Erlöse.

Nach Kriegsende wurde Anton Jennewein im August 1946 wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft und politischer Aktivitäten verurteilt. Im Zuge der Nachkriegs-Entnazifizierungsmaßnahmen wurden weitere 170 Personen aus dem Dorotheum entlassen. Trotz schwerer Schäden am Hauptgebäude und Zerstörungen von Zweigstellen konnte das Dorotheum kurz nach der Befreiung den Betrieb wieder aufnehmen. Obwohl das Auktionshaus von den Beraubungen wirtschaftlich enorm profitiert hatte und zudem genaue Informationen über die von den NS-Stellen eingebrachten Objekte besaß, sah es sich nach 1945 jahrzehntelang nicht in der Verantwortung der Mittäterschaft. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden Unterlagen, die Rückschlüsse auf die Einbringer:innen und Käufer:innen entzogener Mobilien geben konnten, vernichtet, da die gesetzlich vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist abgelaufen war und angeblich Platzmangel herrschte.

Im Jahr 2001 wurde das Dorotheum privatisiert, nach fast 300 Jahren staatlicher Verwaltung. Als Zeichen der historischen Verantwortung flossen 32 Millionen US-Dollar aus dem Verkaufserlös in den Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus. Eine eigene Abteilung für Provenienzforschung wurde eingerichtet, historische Archive wurden dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Auch die Städtischen Sammlungen hatten beschlagnahmte Güter, teils bei Wohnungsauktionen, teils bei den zahlreichen Versteigerungen im Dorotheum angekauft. In den Jahren von 1938 bis 1945 wurden so insgesamt 1478 Objekte erworben. Die systematische Provenienzforschung des Wien Museums konnte dabei Objekte aus den Sammlungen Mautner, Hecht, Goldmann, Jellinek, Blum, Broch, Schachter, Rieger, Pollak, Weinstein, Altmann und Redley identifizieren und restituieren. Bei 1205 Objekten ist bis heute ungeklärt, wer die vorherigen Besitzer:innen waren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Jüdinnen und Juden diese Objekte aus ihrer Notlage heraus an das Dorotheum verkaufen mussten, ist jedenfalls sehr hoch.
 

Verwendete Literatur
Gabriele Anderl, Das Dorotheum. „They got away with it”, in: Christian Mertens/Gerhard Milchram/Michael Wladika (Hg.), „In gutem Glauben erworben“. 25 Jahre Restitutionsforschung der Stadt Wien, Wien 2024, 330–335.
 
Felicitas Thurn-Valsassina: Dorotheum, in: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, https://www.lexikon-provenienzforschung.org/dorotheum (11.3.2024).